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»Wie kann psychoanalytisch orientierte Psychotherapie helfen? Wie arbeiten wir gemeinsam? Was ist Ihre Rolle dabei?« Das sind Fragen, die psychoanalytisch arbeitende Therapeuten in Erstgesprächen öfters gestellt bekommen.
Es gibt auf diese Fragen verschiedene Antworten:
Sehr allgemein ausgedrückt hilft Psychotherapie über gemeinsam geteilte Wirkfaktoren, wie sie in der Psychotherapieforschung festgestellt wurden: dazu gehört vor allem eine längerfristige, tragfähige und Vertrauensbeziehung, wie sie durch das therapeutische Setting ermöglicht wird.
Die kürzeste Antwort lautet: Indem wir Ihre Wahrheit suchen und hörbar machen. Wobei ich Ihnen hörbar zu machen versuche, was Sie sagen. Dazu braucht es auch einiges an Courage.
Schon Freud – der diese Idee von Platon übernahm – war der Überzeugung, dass es im Wesentlichen um diese Wahrheitssuche, die Liebe zur Wahrheit, geht.
Der Versuch, wahrhaftig zu sein, bedeutet den Versuch, sich selbst treu zu sein: Diese Treue zu sich ist es, die durch die psychische Integration mithilfe einer Therapie erreicht werden kann.
Natürlich lässt sich aber auch eine ausführlichere Antwort formulieren:
Von außen betrachtet ist psychoanalytisch orientierte Psychotherapie ein merkwürdiges Arrangement: Es gibt lange Pausen, keine Ratschläge, der Patient monologisiert, der Therapeut hört zu. Aber gerade dieser Rahmen ermöglicht es, die Prozesse in Gang zu setzen, die für eine produktive Therapie nützlich sind.
Meine Rolle ist es dabei, diese Prozesse aufzuspüren, zu halten und mit den Menschen, die mit mir arbeiten wollen, zu durchdringen.
Zwischen uns passiert in den Sitzungen eine ganze Menge. Dabei gibt es spezifische Wirkmechanismen, die besonders für psychoanalytische Therapien relevant sind:
Wir versuchen, unbewusste Konflikte greifbar zu machen: Symptomatische Beschwerden wie Ängste, Depressionen oder psychosomatische Schmerzen sind oft Ausdruck innerer Konflikte. Diese Konflikte drücken sich im Sprechen aus, ohne dass wir es bemerken. Dabei versuche ich, dabei zu helfen, diesen Konflikten Gehör zu verschaffen.
Wir machen Beziehungsmuster sichtbar: Im Raum mit mir wiederholt sich, was Menschen aus anderen Beziehungen kennen. Dieses Phänomen nennen wir Übertragung: Gefühle, Wünsche, Ängste oder generell Beziehungsmuster, die aus alten Erfahrungen entstanden sind, richten sich dabei auf mich. Meine Rolle ist es, diese Muster nicht einfach zu glätten, sondern sie bewusst werden zu lassen. Gemeinsam können wir besser sehen, wie jemand seine Welt von innen organisiert. Dabei ist es wirklich so, wie der Dichter Charles Simic schreibt: »Sobald man erkannt hat, nach welchen Regeln man lebt, geht man darüber hinaus.« Warum ist das so? Weil man, wenn man sich diese Regeln immer wieder von Neuem bewusst macht, nun die Chance hat, eine Entscheidung zu treffen, ob man ihnen weiterhin folgen möchte.
Wir versuchen, schwierige Affekte fassbar und verarbeitbar zu machen: Viele Gefühle, die in der Vergangenheit zu groß oder zu schmerzhaft waren, tauchen im Leben als Symptomatik und irgendwann auch im therapeutischen Raum auf. Ich nehme diese Affekte auf, manchmal wortlos, manchmal mit Deutungen. Dadurch kann gelernt werden, diese Affekte einzuordnen, anstatt von ihnen überwältigt zu werden. In der Fachliteratur wird dies unter anderem als Verbesserung der Mentalisierungsfähigkeit bezeichnet.
Wir entwicklen Strukturen: Gerade bei komplexeren Störungen geht es nicht nur um Konfliktlösung, sondern auch um Stabilisierung. Selbstwert, Impulssteuerung, Klarheit im Erleben können, wenn ein sicherer Rahmen zur Verfügung steht, gestärkt werden. Meine Aufgabe ist es, diesen Raum zu halten und Orientierung zu geben, bis der Patient diese Funktionen selbst übernehmen kann.
Damit diese Wirkmechanismen sich entfalten können, arbeite ich in erster Linie mit folgenden »Techniken«:
Deuten: Ich helfe Ihnen dabei, verborgene Zusammenhänge zwischen aktuellen Problemen und früheren Erfahrungen sichtbar zu machen.
Konfrontieren: Ich mache auf eine klare, aber taktvolle Art auf innere Widersprüche, blinde Flecken oder Vermeidungsverhalten aufmerksam.
Klären: Ich unterstütze Sie dabei, Gedanken und Gefühle zu sortieren.
Durcharbeiten: Wir erleben und reflektieren bestimmte Muster gemeinsam immer wieder – so können mit der Zeit neue, flexiblere Wege entstehen.
Dabei geht es nicht um spektakuläre Interventionen, sondern um die genaue, respektvolle Begleitung innerer Prozesse.
Ich biete weder Lösungen noch Ratschläge.
Es geht vielmehr darum, die innere Welt mit Hilfe des therapeutischen Raums auf eine neuartige und reflektierte Weise zu erfahren.
Von außen mag meine Tätigkeit eher als passiv erscheinen. Tatsächlich geht aber darum, möglichst achtsam zuzuhören und zu versuchen, die Gefühlswelt des Gegenübers zu erfassen: Dabei versuche ich, kleine Verschiebungen wahrzunehmen sowie unausgesprochene Affekte aufzugreifen, um diese im richtigen Moment zu deuten – nämlich dann, wenn diese Deutung eine Wirkung entfalten kann.
